
Foto Elise Wilk © Alina Andrei
Bei der Diskussion nach der Lesung von Elise Wilks Stück "Verschwinden" im Rahmen der Vorstellung der Auswahlstücke 2021 des Deutschsprachigen Komitees EURODRAM am 29.08.2021 am Deutschen Nationaltheater Weimar (DNT) im Rahmen des Kustfestes Weimar wurde auch über die Problematik der notwendigen Kürzungen von Stücken bei Lesungen gesprochen. Hierzu ein nachdenklicher Text von Carsten Brandau.
Der Theaterbetrieb ist ein Durchlauferhitzer – insbesondere für Texte und diejenigen, die sie schreiben. Und wenn Autor:innen von diesem Durchlauferhitzer nicht verheizt werden wollen, wenn sie nicht im Rennen um den nächsten Uraufführungs-Hype, um Topp oder Flopp, untergehen, sondern kontinuierlich arbeiten, weiter-schreiben und somit nachhaltig Theater machen wollen, dann müssen sie sich positionieren. Dann müssen sie sich und ihre Texte, ihre Arbeit, positionieren. Sie müssen sie verteidigen gegen Übergriffe, sie müssen für sie kämpfen, Haltung kenntlich und deutlich machen. Nur allzu oft entscheidet eine einzige Präsentation über Topp oder Flopp, ob die zumeist langwierige, zehrende und intensive Schreib-Arbeit Früchte tragen wird. Und insofern ist es nur völlig verständlich, wenn Elise Wilk an diesem Mittag auf eine Problematik hinweist, die sie bei der Präsentation ihres Stücks erlebt hat. Das hat nichts mit verletzter Eitelkeit zu tun – im Gegenteil: Wilk positioniert nur sich und ihren Text, ihre Arbeit. Und das verdeutlicht nur ihre professionelle Haltung als Theaterautorin. Eine Haltung, die im Theaterbetrieb absolut notwendig ist – weil sie Theater überhaupt erst möglich macht. Denn Theater entsteht aus der Auseinandersetzung miteinander, aus der Auseinandersetzung zwischen Text-Intention und Regie-Zugriff, zwischen Bilder-Sprache und Spiel-Anlass, Inhalt und Form oder Parkett und Bühne. Wenn sich Haltungen füreinander einsetzen, dann entsteht Theater.
Carsten Brandau

Carsten Brandau ist Autor und Mitglied im deutschsprachigen Komitee Eurodram.
Ein Gedanke zu “Carsten Brandau: Noch ein Gedanke zur Diskussion mit Elise Wilk in Weimar”