Marina Skalova: DER STURZ DER KOMETEN UND DER KOSMONAUTEN

aus dem Französischen von Marina Skalova und Frank Weigand

            Ein Stück über Liebe, dieses « oberflächlichste und ungenaueste Wort », wie Bernard-Marie Koltès als Motto des Stückes sagt.

Drei Tage, vier Nächte – und ein paar Milliarden Lichtjahre – auf den Strassen von Berlin nach Moskau, wo Vater und Tochter versuchen, einander zu verstehen. Vielleicht. Ein bisschen.

Der Vater, Doktorand in der UdSSR, hat in Frankreich, kurz vor dem Fall der Berliner Mauer, keine interessante Arbeit gefunden und musste sich mit temporären Aufenthaltsgenehmigungen herumschlagen. Das vermeintliche Paradies hat sein Versprechen nicht gehalten. Heute ist er Geschäftsmann, Import-Export – das heisst, dass er in Westeuropa für russische Kunden Autos kauft und diese nach Russland fährt. Die Tochter, zweite Einwanderergeneration, als Kind nach Frankreich gekommen, hat nur noch lückenhafte Erinnerungen an ihre ersten Lebensjahre in der Sowjetunion. Sie arbeitet an ihrer Dissertation, ist voll integriert, hat aber nur wenig Verständnis für die Probleme und die Sichtweise des Vaters – der ihr wiederum ihr allzu französisches Wesen vorwirft. Vor der Wende war alles einfach: Es gab die Sowjetpropaganda und diejenige aus dem Westen. Und da man erstere als Lüge ansah, glaubte man zwangsläufig, dass letztere die Wahrheit sei. Die Tochter (er)lebt jedoch heute einerseits eine Ernüchterung, andererseits eine Befreiung: Der Westen ist auch kein Paradies, aber sie profitiert von den Möglichkeiten und der Freiheit der neuen Epoche. Eine Freiheit, die den Vater, der nie gelernt hat, aus Dutzenden von Wurstsorten oder Uniabschlüssen auszuwählen, überfordert.

Stückweise, durch freie Assoziation, erzählt der Vater seine Geschichte, die Geschichte der Familie, vor und nach dem Umzug in den Westen. In parallelen Monologen von Vater und Tochter erfahren wir auch einiges über das, was sie einander nicht sagen, was sie aber beschäftigt: Er möchte in Moskau nicht nur Autos verkaufen, sondern auch seine Einsamkeit mit einer jungen Mascha-Irina-Julia-Olga-Tatjana-…, die er über ein Dating-Portal kontaktiert, vergessen. Sie versucht, mit dieser Reise eine fehlgeschlagene Liebesgeschichte zu vergessen. Der Dialog ist nicht einfach, aber auch wenn sie sich oft streiten, kommen sie sich etwas näher. Ein letzter, diesmal reeller, Crash auf der Landstraße Minsk-Mogilev, um Punkt 12 Uhr « sprengt die Familienkonstellationen »: Ende der Familie, Vater und Tochter sind atomisiert. In der nächsten Szene treiben « Er » und « Sie » im Weltraum – wie auch Phrasen und Sätze, die sie durchs Stück hindurch gesagt haben: Remix Vater, Tochter und ihre Worte. Fazit: « Wir werden allein geboren wir sterben allein die restliche Zeit basteln wir Pflaster ».

Das Stück ist in einer rhythmischen und musikalischen Sprache geschrieben, und, wie bei einer Partitur, zeigt die Typographie Veränderungen in Rhythmus und Skandierung an. So sind etwa die beiden Szenen « Kata-Strophen I&II » und « Kata-Strophen III » in Textblöcken geschrieben: Vater und Tochter reden in einer Art « Stream of consciousness » aneinander vorbei, in diesen Texten ist der Klang der Worte wichtiger als ihre Aussage, wo die Bilder und Metaphern (Parallelen zwischen Drogen und Liebe, Anziehung und Abstossung von Planeten und Menschen, Endorphine und Gefühle, …) ineinander verwoben sind. Die Übersetzerin-Autorin hat, mit ihrem Mitübersetzer Frank Weigand, einen rhythmisch ebenso dichten Text auf Deutsch erschaffen. Man hat das Gefühl, dass Skalova und Weigand Passagen des französischen Textes in Puzzleteile zerlegt haben und damit auf Deutsch, durch Ideenassoziationen, ein neues Textbild kreiert haben, das dem Original ähnelt und ähnliche Klangbilder hervorruft. Ein Beispiel:

« craving crave creusent trachées l’estomac tranché traversées d’acide façon détergent ménager déteint donc en dedans détériore donc dedans craving crave le temps n’est pas un critère seule compte l’intensité le temps te cratère le temps te crevasse tu te cramponnes craving crave ton crâne crépite l’estomac scarifié craving crève les caresses te criblent sa langue creuse encore creuse lacère sa langue plus qu’un souvenir sa langue lacère te crible coups de cravaches creuse encore »

« craving crave Krätze im Magen Ritzen in den Röhren von Säure verätzt craving crave die Zeit kein Kriterium einzig zählt die Intensität die Zeit gräbt Krater in dich seziert zerreißt zerfetzt du klammerst dich fest craving crave der Magen voller Zacken der Kopf zerhackt craving crave krepier doch zerfall doch seine Zunge zerteilt dich zärtlich seine Zunge zerfurcht zerfranst gräbt sich in dich hinein grabe weiter grabe »

Die Musik der Sprachen ist auch da: Neben einigen Einsprengseln auf Englisch und Französisch ist es vor allem Russisch, das den Text phrasiert. Die Leserin, der Zuschauer haben selten eine Übersetzung oder Erklärung des Ausdrucks – es geht mehr um die Musik als um den genauen Sinn. Je näher sie an Moskau sind, je tiefer sie sich in die Familienpsyche eingraben, desto mehr Russisch schleicht sich in den Text – als ob das familiäre Unterbewusste allmählich auftaucht. Musik ist auch als solche omnipräsent: Vielen Szenen ist sozusagen ein « Titelsong » vorangestellt. Die Autorin lässt die Regisseur*innen entscheiden, ob sie die Musik ins Stück einbringen wollen oder nicht – aber dieses bildet, für Skalova, « das Unterbewusstsein des Textes ». Was die Liedtexte – die Teil des Textes sind – betrifft, empfiehlt die Autorin, « sie zu singen, zu rappen oder zu brüllen ».

« Ein Typ gibt einem Juden einen Globus und sagt zu ihm: Stell dir vor, du kannst dir aussuchen, wo du leben willst. Der Jude sieht den Globus ernst an. Er denkt nach. Er dreht ihn hin und her. Nachdem der Jude den Globus genau angeschaut hat, blickt er auf und fragt den Typen: Hätten Sie vielleicht noch einen anderen Planeten? »

(Ausschnitt aus DER STURZ DER KOMETEN UND DER KOSMONAUTEN von Marina Skalova)

Marina Skalova | Foto: Sandra Hildebrandt

Katharina Stalder: Wie sehr ist dieses Stück autobiographisch?

Marina Skalova: Der Weg von Deutschland nach Moskau über Weissrussland, wie er im Stück beschrieben wird, ist eine Route, die mein Vater tatsächlich über Jahre hinweg zurückgelegt hat. Fünfundzwanzig Jahre später wollte ich die Reise mit ihm machen. Die ersten Szenen des Stücks habe ich in jenem Moment geschrieben. Aber Elemente, die aus meinem möglichen Erlebten geschöpft sein könnten, sind vermischt mit anderen Elementen, die ich teils erfunden und teils aus Gesprächen mit Drittpersonen entnommen habe. Im Schreibprozess verwandeln sich erlebte Elemente in Sprache und somit in Fiktion. Der Wirklichkeitsbezug scheint mir nicht das Wesentlichste. Wirklich wahr aber ist der Eindruck, dass ich den Zusammenprall zwischen zwei Repräsentationssystemen der Welt stets in meinem eigenen Körper empfunden habe. In der Welt, aus der ich stamme, existiert das Private nicht. Die Idee, etwas für sich selbst zu machen oder individuelle Entscheidungen zu treffen, erscheint undenkbar und egoistisch, während unsere ganze westliche Konzeption gerade darauf beruht. Ich wollte dieses Hin- und Hergerissensein darstellen, und auch die Schwierigkeit, sich im Leben zurechtzufinden, wenn alle Werte, in denen man erzogen wurde, verschwunden sind.

KS: Wie fühlt sich das an, einen eigenen Text zu übersetzen? Wie seid ihr vorgegangen, Frank Weigand und du? Wie habt ihr euch die Arbeit geteilt? Wie die definitive deutsche Fassung erarbeitet?

MS: Wenn ich meine Texte schreibe, gehört das Übersetzen oft für mich zum Schreibprozess dazu. Mein erster Lyrikband, Atemnot (Souffle court), war zweisprachig. Das Buch beschäftigte sich mit der Verwandlung eines Textes in die andere Sprache, mit Möglichkeiten und Grenzen der Übersetzung. Bei der Übersetzung des Stücks ging es zunächst darum, andere Sprachbilder zu finden, die sowohl auf semantischer als auch auf klanglicher Ebene stimmig waren. Frank Weigand hat eine erste Fassung erarbeitet, ich habe dann ganz viel reingeschrieben und wir haben uns den Text solange hin- und her geschickt, bis er für uns beide funktionierte. Ich bin als Autorin zunächst freier mit dem Text umgegangen, habe manche Szenen komplett umgeschrieben, versucht, Klang und Rhythmus wieder zu finden. In diesem Freiraum haben Frank und ich dann Ping-Pong gespielt. Spannend ist für mich, dass sich beim Übersetzen immer wieder Fragen auftun, die ich auch zurück an den Originaltext stelle. Das ist ein unendlicher Austauschprozess.

KS: Kannst du etwas mehr über die Musik – das Unterbewusstsein des Textes – sagen?

MS: Die Idee, dem Text eine Playlist hinzufügen, gefiel mir gut. Das Konzept des « Unterbewussten » des Textes ist aufgetaucht, als ich mit der Regisseurin Nathalie Cuenet, die die Uraufführung im POCHE/GVE in Genf gemacht hat, über das Theaterstück redete. Sie sagte mir, dass sie nicht alle vorgeschlagenen Musikstücke übernehmen wolle, dass sie lieber ihre eigene Tonspur kreieren würde – aber dass ihr die musikalischen Angaben wertvolle Hinweise über die Atmosphäre der einzelnen Szenen gäben. So ist diese Anmerkung zu verstehen. Die meisten Musikstücke geben der Szene eine Färbung und einen Rhythmus, sie widerspiegeln die seelische Welt der Figuren, in Ost und West geteilt. Der Text ist von einer Abfolge von Rockmusik, russischen und westlichen (amerikanischen und französischen) Schlagern geprägt; man findet hier den Kalten Krieg wieder. Die Russen kennen heute die westlichen Musik mehr oder weniger gut, das Gegenteil ist selten der Fall … Beim Übergang ins kyrillische Alphabet passieren wir auch heute noch einen eisernen Vorhang …

KS: Was genau bedeuten für dich die Kosmonauten und die Kometen des Titels?

MS: Das Stück geht von zwei Bildern aus: der Sturz der Kosmonauten, Sinnbilder der UdSSR, und derjenige der Kometen, die den Blitzschlag aus heiterem Himmel der Verliebten symbolisiert. Diese Bilder sind der Antrieb, der Rest entspinnt sich von da aus. In der UdSSR sind die Kosmonauten ein wichtiges Motiv der Vorstellungswelt, das in der urbanen Geografie, in Kinderbüchern und in der populären Mythologie allgegenwärtig ist … Ich wollte das Thema diese Weltraumutopie aufgreifen und daraus einen möglichen Horizont machen. Im Stück ist die Flucht in den Weltraum das, was den Figuren einen Öffnungsraum, eine Flucht und vielleicht eine Utopie erlaubt – sowohl im Kopf als auch konkret. Wie im jüdischen Witz, der im Stück zitiert wird, können sie ihren Platz in der Welt nur auf einem anderen Planeten finden. Was die interstellare Dimension des Stücks betrifft, würde ich sagen, dass mich die poetische Kraft der wissenschaftlichen Phänomene fasziniert. Ich schreibe vor einem Hintergrund von Bildern, die sich gegenseitig erzeugen, sich verweben und so wachsen. Der Weltraum ist ein weiter und starker Raum, der ganz sichtbar das Mikro- und Makroskopische aufeinanderprallen lässt – und so das, was uns Angst macht oder zu gross für uns ist, logisch erscheinen lässt. Die Weltraummetaphern können auf diese Weise sowohl die Anziehung als auch die Aufsplitterung erklären, so dass ich mit ihnen gleichzeitig über Liebe, Auseinanderbrechen und Individualisierung schreiben kann. Genau wie die Fels-, Metall- und Eisblöcke des Stücks, werden die poetischen Bilder aufgesprengt, verfestigt und wieder zusammengesetzt.

von Katharina Stalder

Frédéric Sonntag: B. TRAVEN

übersetzt aus dem Französischen von Yvonne Griesel

Frédéric Sonntag | Foto: www

Der Autor

Der französische Autor Frédéric Sonntag nennt sein Stück B. TRAVEN ein Kaleidoskop. In seinem umfänglichen Text geht Sonntag der Frage nach, wer der mysteriöse Autor B. Traven war, über den so wenig Eindeutiges bekannt ist. In fünf mit einander verwobenen Erzählsträngen umspannt das Stück ein ganzes Jahrhundert vom ersten Weltkrieg und von der Münchner Räterepublik bis ins 21. Jahrhundert. Eine Erzählfigur führt durch ein weit aufgespanntes Panoptikum von Geschehnissen zwischen 1917 und 2009, ein Jahrhundert voller Ideologien, Revolutionen, Kriegen, Exilen, von Scheinwahrheiten, Legenden und blanken Lügen.

Ein Boxer-Dichter geht nach Amerika; ein Drehbuchautor im antikommunistischen Hollywood wird 1949 von der Bundespolizei unter Druck gesetzt; eine Filmemacherin will eine Dokumentation über B. Traven drehen und seine Identität klären; linke Hausbesetzer wollen 1994 ein Kino betreiben und verlieren sich in romantischen Utopien, politischen Kostümen und sehnsüchtigen Küssen. Sie starten einen Piratensender, ein Neuer kommt hinzu und träumt von den Zapatistas in Chiapas, da ist wieder von einer der Personas von Traven die Rede. Als nächstes ist B. Traven 1949 ein kommunistisches Kollektiv von Drehbuchautoren im antikommunistischen Hollywood, 2009 blickt eine Frau auf diese Kinobesetzung und ihre Ziele zurück, die inzwischen ganz anders erscheinen als zu zwanzig Jahre früher. Die unermessliche Personnage besteht aus Figuren, die den Schriftsteller vielleicht gesehen haben, vielleicht er waren oder ihm ihrerseits auf der Spur sind; ist er vielleicht sogar Leo Trotzki? Schließlich verbindet sich die Geschichte des mysteriösen Mannes mit einer ganz großen Verschwörungstheorie der Einflussnahme der Vereinigten Staaten von Amerika auf revolutionäre Bestrebungen durch Übersättigung der Bevölkerung mit Zucker in Form von Coca-Cola, das die revolutionäre Stimmung quasi als Droge dämpft. Und dann ist da 1977 noch der Dokumentarfilm über B. Traven von Lester und Glenda, in dem sie ihm auf die Spur kommen wollen. „Warum versteckt man sich sein Leben lang hinter lauter Masken?” fragt Glenda, „Woher kommt dieses absolute Beharren auf Anonymität? Das ist das Thema unseres Films, Lester.” Es ist auch das Thema dieses Stücks.

Der Autor Frédéric Sonntag, ein junger Mann mit halblangen, dunkelblonden Haaren, leichtem Vollbart, der freundlich und energetisch in die Kamera blickt.
Plakat der Uraufführung im Nouveau Théâtre de Montreuil

Zig Pseudonyme pflastern seinen Weg, zu viel(e) Leben für eine Person, biografische Ungereimtheiten, Vexierspiele, Projektionen … All diese Metaphern tauchen als Strukturelemente auch im Stück selbst auf: Ein mexikanischer Ringer wird „mit seiner Maske begraben“, die Projektionen finden als zahlreiche Filmvorführungen bzw. als ein zu drehender Film statt, ein Vogel namens Zapata (die Revolution in Chiapas spielt eine Rolle) ist schon tot, hat aber trotzdem noch etwas zu sagen. Der Text verwendet unterschiedliche Formate: Prosaerzählung, Dialogteile, Namensaufzählungen zu Anfang der Szenen, Sprechernarration, Zitate von Trotzki, Traven, Arthur Cravan (dem dichtenden Boxer).

Immer geht es aber auch um Situationen des Umbruchs, der Revolution und ihrem Scheitern, so dass die Revolutionäre fliehen müssen, und irgendwie flieht, wer nicht schon dort ist, immer nach Mexiko. Es herrscht eine Atmosphäre der Undurchsichtig- und Mehrdeutigkeit, die sich auf ein exotisiertes Bild von Mexiko überträgt, das nun alles infiltriert und infiziert, einer träumt vom Partisanenkampf in Chiapas, andere spüren eine Erotomanie vom mexikanischen Boden ausgehen. Das Stück schafft ein Universum der Chimären, der vermeintlichen Wahrheiten, die immer wieder umgestoßen werden, sich ablösen, eine hinter der nächsten.

Mit GEORGE KAPLAN und BENJAMIN WALTER bildet dieses Stück eine Trilogie von Frédéric Sonntag über rätselhafte, verschwundene bzw. fiktive Identitäten.

Frédéric Sonntag, geboren 1978, ist Autor, Schauspieler und Regisseur. Er studierte am Conservatoire National Supérieur Dramatique und gründete 2001 die Theatergruppe AsaNIsiMAsa.

2010 erhielt Frédéric Sonntag den Prix Godot des lycéens für Toby ou le saut du chien sowie den Prix de la pièce de théâtre contemporain pour le jeune public (Bibliothèque Armand Gatti) für Sous contrôle; 2013 wurde sein Stück Sous contrôle mit dem Prix ado du théâtre contemporain (Acamédie d’Amiens) ausgezeichnet.
(rowohlt Theaterverlag)

Die Übersetzerin

Yvonne Griesel, entspannt lächelnd in einem Restaurantstuhl mit Glas auf einem Tisch vor sich
Dr. Yvonne Griesel | Foto: A. Rüttenauer

Yvonne Griesel hat das Stück für den Rowohlt-Theaterverlag aus dem Französischen übersetzt.

Henning Bochert: Was hat dich an dem Text fasziniert?

Yvonne Griesel: Die Konfrontation mit mir selbst, die Frage nach der Bedeutung des Individuums und das Hinterfragen meiner eigenen Moral im Laufe des Lebens, wie Kampf und Werte mehr und mehr in den Hintergrund treten und wo Menschen wie B. Traven, Trotzki und viele andere die Kraft hernahmen, nie aufzugeben. Und natürlich die Frage, ob wir in unserer heutigen Welt noch die Möglichkeit einer Anonymität haben und ob sie uns nicht unter Umständen sehr gut tun würde.

Eine bestimmte Frage hat mich am Rande noch besonders fasziniert, um herauszufinden, wer der Bestsellerautor B. Traven war, wurden unglaublich viele Autoren in Betracht gezogen, aber niemand kam auf die Idee, dass seine mexikanische Frau, die als seine Übersetzerin ins Spanische arbeitete, sich hinter dem Psyeudonym gemeinsam mit ihm verbergen könnte. Komisch und typisch, dass sich diese naheliegende Frage niemand gestellt hat.

HB: Welches waren die besonderen Herausforderungen bei der Übersetzung dieses Textes?

YG: Die verschiedenen Stilebenen, die zwischen den 70er Jahren, den 90er Jahren, Anfang des Jahrhunderts und der heutigen Sprache in schneller Folge wechseln mit wissenschaftlichen Werken und Zitaten von B. Traven, Cavan und anderen Literaten seiner Zeit. Ich mag diese Brüchigkeit, die das Thema des Stückes auf einer weiteren Ebene abbildet und für die Übersetzung eine spannende Herausforderung war.

HB: Wie hat sich die Zusammenarbeit mit dem Autor gestaltet (wenn überhaupt)?

YG: Ich hatte einige Fragen zu den Zitaten, Frédéric Sonntag hat Zitate von B. Traven verwendet, die er auch teilweise leicht bearbeitet hat. Da man ja davon ausgeht, dass die Ursprungssprache Deutsch ist, haben wir hierüber viel korrespondiert. Da wir uns aber noch nicht persönlich getroffen ahben, bin ich sehr dankbar, dass Eurodram uns nun dieses Treffen in Wien ermöglichen wird.

Dr. Yvonne Griesel arbeitet freiberuflich als Übertitlerin, Übersetzerin und Dolmetscherin. Mit ihrer Firma SPRACHSPIEL hat sie sich darauf spezialisiert, fremdsprachige Inszenierung für Festivals und Gastspiele zu übertragen, und arbeitet unter anderem für die Münchner Kammerspiele, die Ruhrtriennale, Theater der Welt, die Volksbühne, das Residenztheater in München u.a.m. (www.sprachspiel.org) Sie übersetzt für Henschel Schauspiel, den Rowohlt Verlag, den Alexander Verlag und Theater der Zeit aus dem Russischen und Französischen. Darüber hinaus ist sie im Vorstand von Drama Panorama e. V. Yvonne Griesel ist Dipl.-Dolmetscherin für Russisch und Französisch und hat zum Thema Übertitelung im Theater an der Humboldt Universität promoviert, wo sie sieben Jahre in der Lehre tätig war. Publikationen: u. a. „Translation im Theater“ (2000, Peter Lang Verlag), „Die Inszenierung als Translat“ (2007, Frank und Timme Verlag). „Welttheater verstehen“ (2014, Alexander Verlag) sowie zahlreiche Artikel in internationalen Fachpublikationen. (Drama Panorama)

von Henning Bochert

Auswahl 2018 aller Sprachkomitees

EURODRAM 2018 – AUSWAHL ALLER SPRACHKOMITEES

العَرَبيّة / Арабский / Arabic
★  عشرة مشاهد ليست عنيفة (Ten scenes not too violent / Десять сцен, не самых насильственных) # Omar Al-Jibaii / Омар Аль-Джибаи
★  عشا العميان (Blind dinner / Ужин вслепую) # Anouar Abdul Moughith / Ануар Абдул Мугит
★  قلعة ملح (Salt Castle / Замок из соли) # Anna Akkash / Анна Аккаш
Հայաստանյան / Армянский / Armenian
★ Ծառի վերջը (The End of the Tree / Конец дерева) # Արմեն Հայաստանցի / Armen Hayastantsi / Армен Айастанци
Белорусский / Belarussian
★ Скура (Skin / Шкура) # Алёна Iванюшанка / Aliona Ivaniushanka
★ Онiкс (Onyx / Оникс) # Максiм Доська / Maksim Dosko
★ Сэкс мне не патрэбен (I don’t need sex / Секс мне не нужен Лёха Чиканос) # Лёха Чыканас / Liokha Chykanas
Bosanski, hrvatski, crnogorski, srpski / Боснийский, Хорватский, Черногорский, Сербский
★ Stela, poplava / Стела, поплава (Stela, the Flood / Cтела, наводнение) # Dino Pešut / Дино Пешут
★ Režim ljubavi / Режим љубави (The Regime of Love / Pежим любви) # Tanja Šljivar / Таня Шливар
★ Bijeli bubrezi / Бијели бубрези (Rocky Mountain Oysters / Бычьи яйца) # Vedrana Klepica / Ведрана Клепица
български / Bulgarian
★ Цикадите (The Cicadas / Цикады) # Мирослав Христов / Miroslav Christov
★ Рокхил (Rockhill / Рокхил) # Катя Караиванова / Katya  Karaivanova
★ На тъмно (In the dark / В потемках) # Сабина Стефанова / Sabina Stefanova
Deutsch / Немецкий / German
★ Der freie Fall (Free Fall / Свободное падение) # Raoul Biltgen / Рауль Бильтген
★ Das Recht des Stärkeren (Law of the Jungle / Закон Джунглей) # Dominik Busch / Доминик Буш
★ Ein Körper für jetzt und heute (A Body for the Here and Now / Одно тело, здесь и сейчас) # Mehdi Moradpour / Мэxди Мурадпур
Ελληνικά / Греческий / Greek
★ Το σπίτι του Ληστή ή οι Δράκοι με τις μακριές ουρές (The Ηouse of the Thief or The Dragons with the Long Tails / Дом вора или драконы с длинными хвостами) # Δέδε Θεώνη / Dede Theoni
★ Ο μπέμπης (Baby boy / Малыш) # Σωτηροπούλου Βίλη / Sotiropoulou Vily
★ Ξενίτης, Κορφούλα μου αργαδηνή (Xenitis my Corfu Girl / Ксения, моя девушка с острова Корфу) # Ράπτη Βασιλική / Rapti Vassiliki
English / Английский
★ Love, Lies and Taxidermy (Любовь, ложь и Таксидермия) # Alan Harris / Aлaн Хapрис
★ Too Long the Heart (Слишком длинное сердце) # by David Hutchison / Дэвид Xачиcoн
★ The Trap (ловушка) # Kieran Lynn / Kиpaн Лин
Español / Испанский / Spanish
★ Mi perra (My Bitch / Моя сука) # Sergio Martinez Vila / Серхио Мартинес Вила
★ No hay papel (No paper / Нет бумаги) # Beatrice Bergamin / Беатрис Бергамин
★ Lo que nunca fuimos (What we never were / Кем мы никогда не были) # Luis Lopez de Arriba / Луис Лопес де Арриба
Français / Французский / French
★ Amir avant (Amir before / Амир до) # Aurianne Abécassis / Ориян Абекасис
★ Delta Charlie Delta (Delta Charly Delta / Дельта Чарли Дельта) # Michel Simonot / Мишель Симоно
★ L’Accident de Bertrand (Bertrand’s accident / Авария Бертрана) # Emilie Leconte / Эмили Леконт
★ Pig Boy 2016-2358 # Gwendoline Soulin / Гуэндолин Сулен
עִבְרִית / Иврит / Hebrew
★ אומרים שהיא תתחיל ביולי (They say she will start in July / Говорят, что она начнется в июле) # דניאל כהן לוי / Danielle Cohen Levy / Даниэль Коэн Леви
★  אמהות שלוש (Mothers three / Матери, три) # להב תימור / Lahav Timor / Лахав Тимор
★  נורא אנושי (Horribly human / Ужасно человеческий) # גילעד עברון / Gilad Evron / Гилад Эврон
Italiano / Итальянский / Italian
★ Acqua di Colonia (Eau de Cologne / Одеколон) # Elvira Frosini & Daniele Timpano / Эльвира Фрозини & Даниэле Тимпано
★ La città che sale (The Standing city / Восставший  город​) # Chiara Boscaro & Marco Di Stefano / Кьяра Боскаро & Марко Ди Стефано
★ Essere bugiardo (To be a liar / Быть лжецом) # Carlo Guasconi / Карло Гуаскони
Magyar / Bенгерский / Hungarian 
★ Titkaink (Our Secrets / Наши секреты) # Béla Pintér / Бела Пинтер
★ Napraforgó (Sunflower / Подсолнух) # Andrea Pass /Андреа Паш
★ Hideg szelek / Eiswind (Cold Wind / Холодный ветер) # Árpád Schilling & Éva Zabezsinszkij / Арпад Шиллинг & Ева Забежинский
Português / Португальский / Portuguese
★ Max e René (Max and René / Макс и Рене) # José Maria Vieira Mendes / Жозе Мария Виейра Мендеш
★ Olhando o céu estou em todos os séculos (When I look up to the sky I am present in all centuries / Глядя на небо, я на все столетия) # Abel Neves / Абел Невеш
★ Cinderela (Cinderella / Золушка) # Lígia Soares / Лигия Суареш
Русский / Russian
★ Dummerchen # Гaл a Узрютoвa / Gala Uzriutova
★ Скрипка (The Violin) # Илья Члaки / Ilya Chlaki
★ Ева (Eve) # Гия Алaвидзe / Giya Alavidze
Shqip / Албанский / Albanian
★ Citycide # Eli Krasniqi / Эли Крacничи
★ Liriologjia (Freedomology / Свободология) # Lirak Çelaj / Лиpaк Чэлaй
★ Një teatër në kërkim të publikut (A theater in search of an audience / Театр в поисках публики) # Ridvan Dibra / Rидвaн Дибpa

AKTIVITÄTEN: Präsentation der Auswahl 2015 am Theater Drachengasse / Wien

Am 16. November 2015 haben wir in Wien am Theater Drachengasse eine weiteres Mal die Auswahl 2015 des Deutschsprachigen Komitees präsentiert – unsere Premiere in Österreich.

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Im Theater Drachengasse, Foto: K.Kukelka

Dank einer großartigen Zusammenarbeit mit dem Theater Drachengasse und dank Unterstützung des Bundeskanzleramts und des Polnischen Instituts in Wien war es uns möglich, einige der Autoren und Übersetzer zu der Veranstaltung einzuladen: Małgorzata Sikorska-Miszczuk (Polen) und ihren Übersetzer Andreas Volk, sowie Maria Tryti Vennerød (Norwegen) und ihre Übersetzerin Nelly Winterhalder.

Das Theater Drachengasse (www.drachengasse.at) ist ein kleineres Theater direkt im Zentrum Wiens, das in seinen Spielplänen einen erkennbaren Schwerpunkt auf zeitgenössische Stoffe setzt. Seit Oktober 2014 hat dort Katrin Schurich die Leitung inne, als Regisseurin selbst gut mit der zeitgenössischen Dramatik vertraut. Wir freuen uns sehr, dass wir sie für diese Kooperation gewinnen konnten.

Auf eine kurze Einführung in die allgemeine Arbeit von EURODRAM und seiner Sprachkomitees durch Ulrike Syha (Koordinatorin des Deutschsprachigen Komitees) folgten etwa zwanzigminütige Lesungen der drei Stücke der Auswahl 2015, eingerichtet von Sandra Schüddekopf und Milena Michalek.

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Lesung „Eine nicht umerziehbare Frau“, Foto: K. Kukelka

„EINE NICHT UMERZIEHBARE FRAU“ von Stefano Massini (Aus dem Italienischen von Sabine Heymann). (Lauke-Verlag)

Es lasen: Barbara Gassner, Thomas Stolzeti, Felix Kreutzer; Einrichtung: Sandra Schüddekopf

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Lesung „Der Koffer“, Foto: U. Syha

„DER KOFFER“ von Małgorzata Sikorska-Miszczuk (Deutsch von Andreas Volk). (Kaiser-Verlag)

Es lasen: Barbara Gassner, Thomas Stolzeti, Alexander Braunshör, Lisa Schrammel; Einrichtung: Sandra Schüddekopf

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Lesung „Die Prüfung“; Foto: K. Kukelka

Für die Lesung des dritten Textes ist es den Kollegen in Wien gelungen, eine Kooperation mit einer Schauspielschule in die Wege zu leiten; die Rollen der Schüler in „Die Prüfung“ wurden von jungen Studierenden der Privatuniversität Konservatorium Wien gelesen – eine große Bereicherung.

„DIE PRÜFUNG“ von Maria Tryti Vennerød (Aus dem Norwegischen von Nelly Winterhalder). (TM-Verlag)

Es lasen: Lisa Schrammel, Alexander Braunshör, Teresa Maria Hager, Sören Kneidl, Felix Kreutzer, Eleni Stampfer, Constanze Winkler; Einrichtung: Milena Michalek

Im Anschluß an die jeweilige Lesung stellten sich die anwesenden Autoren und Übersetzer den Fragen der EURODRAM-Mitglieder Henning Bochert und Christian Mayer und des Publikums und gaben Auskunft über ihre Texte, den Vorgang des Übersetzens, neue Projekte und die zeitgenössische Theaterszene in ihren jeweiligen Ländern. Gespräche, die auch nach Ende der Veranstaltung fortgeführt wurden.

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Die norwegische Autorin und ihre Übersetzerin im Gespräch mit Christian Mayer; Foto: K. Kukelka

Ein Zuschauer sagte am Ende an der Bar, er habe den gesamten Abend wie eine kleine Reise empfunden durch die unterschiedlichen Regionen Europas mit ihren jeweiligen Themen und Fragestellungen. Wenn sich das hergestellt hat, freuen wir uns natürlich ungemein.

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Die polnische Autorin und ihr Übersetzer im Gespräch mit Henning Bochert, Foto: K.Kukelka

Mit dieser Veranstaltung in Wien verabschieden wir uns von der Auswahl 2015, die uns über das Jahr sehr ans Herz gewachsen ist. Wir bedanken uns herzlich bei der Theaterleiterin Katrin Schurich, bei Sandra Schüddekopf und Milena Michalek, den Schauspielern und allen anderen Beteiligten und Unterstützern vor Ort.

Kommende Woche startet die Ausschreibung 2016. Wir freuen uns schon jetzt auf die neuen Texte und die Menschen dahinter.

Über den Start der Ausschreibung informieren wir Sie getrennt auf diesem Blog.